Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 2, doc. 258
volume linkBern 1985
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#1230* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 517 | |
Dossier title | Wien, Politische Berichte und Briefe, Militär- und Konsularberichte, Band 19 (1869–1872) |
dodis.ch/41791
Ich habe Sie heute früh auf die Bitte einer Deputation von Getreideexporteurs telegraphisch angefragt2, ob Baiern das Verbot des Getreideexportes nach der Schweiz zurückgezogen habe; einige Stunden später ist auf dem Ministerium des Äussern ein Telegramm von Baron Bruck, dem k. k. Gesandten in München eingetroffen, in welchem er dem Grafen Beust anzeigt, dass Baiern dieses Verbot aufgehoben habe. Ich kann Ihnen streng confidentiel mittheilen, dass Baron Bruck durch den englischen Gesandten in München erfuhr, dass die baiersche Regierung durchaus nicht daran dachte, den Getreidetransit zu untersagen, dass aber von Berlin der Befehl in München eintraf, dass alle Getreideausfuhr nach der Schweiz strengstens untersagt werde. Die baiersche Regierung folgte auch dieser Ordre; nahm dieselbe aber zurück, als durch den k. k. Gesandten in München im Auftrag des Grafen Beust energisch dagegen reclamirt wurde.
Es ist ohne Zweifel zu Ihrer Kenntniss gelangt, dass gestern in Bregenz ein Craval stattfand, dessen Zweck war, die Ausfuhr von Getreide nach der Schweiz zu hindern. Der Bezirkshauptmann Schwertling war auch so ungeschickt, auf seine, eigene Faust hin ein Getreideausfuhrverbot der Schweiz gegenüber zu erlassen; er fragte indessen doch noch bei der Statthalterei in Innsbruck und diese beim Ministerium in Wien an, worauf von diesem sogleich die strengste Weisung gegeben wurde, das Verbot augenblicklich aufzuheben. Dieser sonderbare Zwischenfall ist also in kürzester Zeit befriedigend beigelegt worden.
Ich war um 1 Uhr beim Grafen Beust, um mich mit ihm wegen des Pferdeausfuhrverbotes zu besprechen. Da aber gerade Conferenz des Reichsministeriums war, ging ich um 3 Uhr noch einmal auf die Staatskanzlei. Der Fürst Latour d’Auvergne, der gestern hier eintraf, war eben beim Reichskanzler. Graf Beust erklärte mir, so sehr er es bedaure, so müsse er doch ganz bestimmt das Pferdeausfuhrverbot aufrecht erhalten; die kaiserl. Regierung müsse für sich selbst den Bedarf dekken, da in den vergangenen Monaten eine sehr grosse Menge von Pferden, besonders nach Frankreich, ausgeführt worden seien, dann wolle sie, weder nach der einen, noch nach der ändern Seite hin sich den Anschein geben, als halte sie nicht die stricteste Neutralität aufrecht; er habe auch der italienischen und der rumänischen Regierung gegenüber die nämliche abschlägige Antwort gegeben. Ich bemerkte dem Grafen Beust, dass Pferde ja strenge genommen nicht unter die Kriegsartikel gezählt werden können und dass der Bedarf für die Schweiz ein verhältnissmässig so geringer sei, dass die für dieselbe nöthige Anzahl bei dem Pferdereichthum Ungarns gar nicht in Betracht kommen könne. Ich fügte noch bei, dass, wenn die Regierung Anstand nehmen würde, 800–1000 Stück ausführen zu lassen, es für uns doch wichtig wäre, wenn die Erlaubniss für den Export von etwa 4–500 Stück gegeben würde. Ich drängte den Reichskanzler so lange, bis er mir schliesslich versprach, die Frage bei dem Ministerpräsidenten u. dem Kriegsministerium zu befürworten, aber ich gestehe Ihnen offen, dass ich fast keine Hoffnung habe, ein günstiges Resultat zu erreichen.
Ich traf im Wartesaal mit dem preussischen Gesandten v. Schweinitz zusammen; obgleich nicht gerade sehr vertrauensselig, zählt er doch, in Anbetracht der zähen Ausdauer der deutschen Truppen, auf einen für Preussen schliesslich günstigen Ausgang des Krieges. Er sagte mir, dass in Preussen viele hochgestellte Militär auf die Bundesgenossenschaft der süddeutschen Staaten gar keinen Werth legen und dass ihnen eine bewaffnete Neutralität derselben weit angenehmer wäre. Hier hat die ungemein rasche und energische Gränzbesetzung von Seite der Schweiz Staunen und, ich möchte sagen, Bewunderung erregt; man hatte von einer solchen Schnelligkeit einer Machtentfaltung gar keine Ahnung.